Zurück

Erbsen

Es ist Sommer – Olympiade-Zeit

Mit dem Sommer kommt ein weiterer Schmetterlingsblütler auf den Speiseplan: die Erbse. Und mit ihr wandern Eiweiß, Niacin und andere B-Vitamine, Ballaststoffe, Kohlenhydrate, Aminosäuren, viele Vitamine und Mineralstoffe frisch vom Feld in die Küche. Eine Menge Vitalstoffe nicht nur für Sportler und Vegetarier, auch Kinder sind von dem süßlich schmeckenden Samen begeistert.
Anders als die Zuckerschoten machen es uns diese frischen Erbsen nicht ganz so leicht mit der Zubereitung, denn sie kommen in einer Schote daher, die erst entfernt werden muss, bevor wir uns der Weiterverarbeitung widmen können. Und das ist der Auftakt zur Sommer-Olympiade in der Küche:

Erbsen pulen oder: Wie bekomme ich die Schote auf?

Zwei Schüsseln stehen vor mir, eine riesige Portion Erbsenschoten und ein kleines Küchenmesser sind in den Starlöchern. Ein Blick auf die Uhr und los geht es! Der Erbsen-Pulen-Marathon beginnt: Mit dem Messer den Blütenansatz nach unten abziehen. Dabei die kürzere Seite nehmen, nicht etwa aus Zeitgründen. Nein! Der Faden, der bei dieser Aktion abgezogen wird, ist wie ähnlich ein Reißverschluss, der den Weg zu den kleinen grünen Kugeln im Inneren der Schote freigibt. Wenn ich mich geschickt anstelle… Tja, die Schoten sind, darüber freue ich mich gerade sehr, super frisch und knackig! Kurze Transportwege – langer Genuss! Aber sie brechen auch an Stellen, die meine Vorstellungen vom Erbsen pulen trüben. Also nehme ich es wörtlich und pule! Die Schoten in die große Schale für den Komposthaufen, die grünen Kugeln in die kleine Schale. Und dann geht sie los, die Olympiade!
Ich drücke das Ende der Schote und Zack – schneller als ein Diskus flitzt die Erbse durch die Küche. Ich ahne die Richtung und prüfe, wohin sie entschwunden ist. Gute Entfernung, medaillenverdächtig! Kurz abgespült, weil sie mit ihrem Leichtgewicht auf dem Küchenboden herumgekullert ist (ohne wie ein Diskus den Boden umzugraben, was ich erfreulich finde) und zu den anderen in die kleine Schüssel gelegt. So ein kleiner Schelm! Bedächtig geht es weiter. Die Daumennägel spalten ein paar Mal ordentlich die Schote, das Rauspulen gelingt einwandfrei und das wiegt mich in der Sicherheit, dass ich den Bogen raushabe.
Weit gefehlt! Mit einem gekonnten Satz entspringt ein kleiner, grüner Blitz der Schote, schießt meisterlich gegen die Deckenbeleuchtung über der Spüle – ein echter Volltreffer, dass Bogenschützen neidisch werden könnten – und entfleucht hinter die Kaffeemaschine! Ich bin beeindruckt! Sie wird eingesammelt, abgespült und mit einem bewundernden Lächeln im Gesicht in die kleine Schale gelegt.
Konzentration, die Zeit vergeht und der Berg von Schoten wird nur langsam kleiner. Mal kurz die Arme ausschütteln, die Beine bewegen und weiter. Schon steht die nächste Disziplin an: Ballsport, beliebig Tennis, Tischtennis, Fußball, egal. Die Erbse nutzt den Moment der Unachtsamkeit und springt gekonnt gegen die Fliesen, prallt ab, klatscht gegen die – frischgeputzte – Fensterscheibe und landet mitten im Usambaraveilchen. Tosender Applaus! Wer hätte das gedacht! Ich suche und finde den kleinen Ausreißer auf dem ökologisch erzeugten Mutterboden, pule (!) sie dort raus, spüle sie ab und lege sie triumphierend zu den anderen. Dabei denke ich, dass ich froh bin, dass Erbsen – anders als rote Beete – keine Flecken an den Wänden hinterlassen. Ich übe Achtsamkeit und konzentriere mich, denn wenn ich weiter den Erbsen hinterlaufe und sie suche, dann werde ich heute länger als gedacht in der Küche stehen.
30 Minuten sind um, ich ahne das Ende und bin begeistert. Lecker Erbsen, wie sie schon jetzt duften… Ende der Konzentration, Beginn der nächsten Disziplin: Golf! Abschlag, so schnell kann ich gar nicht gucken, zack, irgendwo in meiner Küche gab es ein Hindernis in der Flugbahn, denn der kleine grüne Ball fliegt vor meinem Gesicht direkt in die Schüssel! Wow! Leider in die volle mit den Kompost-Schoten. Weil ich vielleicht ein Erbsenzähler bin, gebe ich mich noch nicht geschlagen und wühle, bis ich auch diese kleine leckere Erbse in die richtige Schüssel eingelocht habe.
Mit diesen unterhaltsamen Auflockerungen der sonst recht eintönigen Erbsenpulerei schaffe ich es tatsächlich (ohne Rückschmerzen vom langen Stehen; es wäre sowieso kein Sanitäter in Sicht gewesen, der hier eine nette Massage zur Auflockerung hätte durchführen können), den Berg erfolgreich abzuarbeiten und bin begeistert von meinem kleinen Erbsen-Schatz, der vor mit in der kleinen Schüssel auf den nächsten Arbeitsschritt wartet: 4 bis 5 Minuten blanchieren!
Und weil ich Erbsenzählerei nicht mag, wiege ich den Lohn meiner sportlichen Aktivitäten mit der Waage ab: 440 Gramm in 45 Minuten! Klingt für mich medaillenverdächtig!
Die Portion wird aufgeteilt und nach dem Blanchieren friere ich zwei Tüten mit leuchtend grünen Erbsen ein, auf deren Genuss ich mich schon jetzt freue. Vielleicht gare ich sie einfach mit Butter zu Stampfkartoffeln und Rührei oder es gibt mal wieder leckeren Nudelsalat. Hmmm, oder als Zwischenlage in der Lasagne? Heute jedenfalls sind die Stangenbohnen (mit Zwiebeln in Butter gedünstet) dran, denn die halten auch nicht ewig im Kühlschrank. Und morgen werde ich gemächlich die dicken Bohnen schälen. Die sind nicht so sportlich, was auch ganz schön ist. Mit der eingekochten Tomatensoße vom letzten Jahr und Reis reduziere ich die Vorbereitungszeit in der Küche. Feine Sache!
Ach ja: Die Berge der Schoten sind beachtlich. Sie machen ca. 2/3 des Gewichts auf der Waage im Supermarkt aus und so bekommt mensch etwa 400 Gramm Erbsen aus 1 kg Erbsenschoten in den heimischen Kochtopf. Und damit die kleinen Kugeln ihre frische Farbe behalten, werden sie beim Blanchieren mit etwas Zucker im Wasser gegart. Profi-Köche schrecken sie nach dem Kochen mit Eiswasser ab, damit die süßen Perlen auf dem Teller optisch ansprechend kredenzt werden können.
Und weil Erbsen auch Purine enthalten, sei Menschen mit Veranlagung zu Gicht empfohlen, diese Leckerei eher seltener zu genießen.