Hübsch sind sie nicht, aber altehrwürdig und lecker
In früheren Zeiten waren unser Klöster verpflichtet, einen Mispel-Baum (Mespilus germanica) zu pflanzen. Seine Früchte wurden damals vor allem in der Volksmedizin verwendet. Hildegard von Bingen zum Beispiel empfahl sie gegen Schwächeanfälle und Fieber. Heutzutage können wir schon froh sein, wenn die Mispel nicht mit der Mistel verwechselt wird. Und dass wir die Früchte ab und zu im späten Herbst in unserer Gemüsekiste finden, ist ein absolutes Privileg - sie sind extrem selten auf dem Markt. Das liegt vielleicht auch daran, dass sie nicht besonders attraktiv sind. Die bräunlichen, entfernt an Pilze erinnernden Dinger haben eine harte Schale, riechen merkwürdig und sind erstmal ungenießbar - keine guten Voraussetzungen für einen glanzvollen Auftritt.
Aber wenn sie dann fast vergammelt sind, wenn wir den Impuls haben, sie angewidert wegzuwerfen, weil sie geschrumpelt und matschig geworden sind, dann haben die Mispeln plötzlich alles, was wir von ihnen verlangen. Sie sind süß geworden, weich und duftig. Ihr Fruchtfleisch erinnert jahreszeitengemäß ein wenig an Lebkuchen. Und wir können sie mit dem Löffel aus ihrer Schale holen und pur und ohne großen Schnick-Schnack genießen.
Dementsprechend liegen sie erstmal rum. Nicht im Kühlschrank, sondern irgendwo kühl im Dunkeln. In einer kleinen Schale vielleicht. Und nach mehreren Tagen, es können auch ein, zwei Wochen sein, verwandeln sie sich plötzlich. Wenn wir sie dann mit dem Finger vorsichtig antippen, sind sie weich und wirken, wie gesagt, eher hinüber. Sind sie aber nicht. Jetzt sind sie richtig gut.
Was die Mispeln für die Klöster und die Volksmedizin so wertvoll gemacht hat, dass ist nicht nur eine ordentliche Portion Vitamin C, sondern auch Gerbstoffe, die bei Darmbeschwerden helfen können, Pektine und Kalium.
Die reife Mispel vorsichtig durchschneiden, Fruchtfleisch rauslöffeln - da ist nicht viel zuzubereiten. Klar, wir können dazu einen Kleks süße Sahne essen, wir können Walnüsse drüberstreuen oder Schokostreusel. Wir können Vanillepudding oder Grießbrei dazu machen. Geht, muss aber nicht. Mispel ist Mispel, alles andere ist überflüssig. Wer die Kerne nicht mag, kann das Fruchtfleisch durch ein Sieb streichen, muss aber auch nicht. Genießen wir den altehrwürdigen Geschmack und denken wir kurz daran, dass unsere Ahnen wussten, was wirklich exklusiv und lecker ist.